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Aphorismen zum kontinuierlichen Glukosemonitoring (CGM)Seit Bestehen des CGM herrscht ein reger Erfahrungsaustausch zwischen Diabetikern und ihrem betreuenden Diabetesteam. Die Plausibilitätskontrolle erfolgt durch den Wirksamkeitsnachweis im Alltag. Die Blutzuckeraugenblicksmessung und das kontinuierliche Glukosemonitoring sind ergänzende, aber nicht vergleichbare Methoden. PD Dr. A. Thomas beschreibt diesen Sachverhalt sehr gut: “Die Blutzuckeraugenblicksmessung ist vergleichbar mit einer Fotografie, der Augenblick wird differenziert dargestellt. Das CGM ist vergleichbar mit einem Film, d.h. die Information ist nicht das einzelne Bild, sondern die Dynamik der Bilder.“ Die unterschiedliche Betrachtungsweise erklärt auch, dass CGM-Daten keine Informationsflut besitzen, sondern eben nur eine andere Perspektive bedeuten. Evolutionsbiologisch ist es vorgesehen, die Glukose in einem bestimmten Regelbereich zu halten (Glukosehomöostase), ausgeprägte Glukoseexkursionen (Hypo-, Hyperglykämie) sollen vermieden werden. Ein Orchester an Hormonen bemüht sich, unter circadianen Rhythmen und in einem dynamischen Prozess dies zu gewährleisten.Eine führende Aufgabe des Energiestoffwechsels besteht in der Versorgung des Gehirns mit Glukose. Unser zentrales Steuerorgan beträgt zwar nur 2 % des Körpergewichts, benötigt aber in Ruhe 20-40 % der Energie des Gesamtumsatzes. Da jeder Organismus sparsam mit seinen Ressourcen umgeht, muss diese Energieverschwendung dem Menschen einen großen evolutionsbiologischen Vorteil verschafft haben. Die ständige Versorgung des Gehirns mit Glukose setzt voraus, dass in Phasen ohne Nahrungsaufnahme, wie z.B. in der Nacht, eine Energiebereitstellung durch Abbau von Glykogen funktioniert. Eine wesentliche Indikationen des CGM besteht in dem Nachweis der endogenen Substratquelle. Eine Augenblicksblutzuckermessung kann nicht unterscheiden, ob der Wert ausschließlich durch exogene und wahrnehmbare Prozesse entstanden ist, oder ob aufgrund einer Hypoglykämie endogene Glukose durch Abbau von Glykogen zur Verfügung gestellt wurde. Die Bereitstellung der endogenen Glukose ist vergleichbar mit einem Kredit, der nach einem bestimmten Zeitintervall zurückgefordert wird. Hierzu ein Beispiel: Es wird mittags ein Blutzuckerwert von 150 mg/dl gemessen, die Reaktion mit Insulin wird für diesen Wert geplant. Wenn jedoch nachts eine Hypoglykämie aufgetreten war, die man nicht wahrgenommen hat, befindet man sich mittags in einer noch ungewünschten Kreditphase und der wahre Wert entspricht zum Beispiel nur 70 mg/dl (weil 80 mg/dl wieder zurückgefordert werden). Die Planung scheitert somit aufgrund der unsicheren Datenbasis. Durch das CGM kann die Dynamik des Glukoseverlaufs kontinuierlich visualisiert werden und zu einer Verhaltensänderung führen. Auch eine Erhöhung der Messfrequenz kann diese Situation nicht suffizient darstellen, da die Wahrscheinlichkeit, zum richtigen Zeitpunkt das pathophysiologisch führende Konzept zu dokumentieren, gegen 0 geht.Daraus ergibt sich eine weitere CGM-Indikation: Das Messdichtepostulat (Begriff aus der Regel- und Messtechnik). Eine kontinuierliche Darstellung der Glukoseänderung mit drei Schwingungen benötigt mindestens sechs Messungen, jeweils zu Zeiten der höchsten (Gipfel) und niedrigsten Konzentrationen (Täler). Diese zwei dargestellten Indikationen zeigen u.a. die Möglichkeiten des Erkenntnisgewinns durch CGM. Im klinischen Alltag imponieren in diesen Situationen (signifikanter Beitrag endogener Substratquellen, Messdichtepostulat) über das übliche Maß hinaus schwankende Blutzuckerwerte, im nördlichen Erftkreis als „Springzucker“ beschrieben. Die Wertigkeit des CGM als begrenzte Ressource ist somit eng mit rezidivierenden inapparenten Hypoglykämien verknüpft. Da ich mich auf Aphorismen beschränkt habe, verweise ich bezüglich der Musteranalyse auf die Literatur.Die Hypoglykämie hat für mich einen besonderen Stellenwert, da sehr viele Patienten mit den beschriebenen Beschwerden unsere Pumpensprechstunde aufsuchten und somit zur Indikationsentwicklung des CGM führten. Generell stellt die Hypoglykämie einen limitierenden Faktor bei der Stoffwechseloptimierung dar. Eine Darstellung des Problems, d.h. eine Demaskierung inapparenter Hypoglykämien, ist hierbei eine besondere Aufgabe. Neben den initial verblindeten Systemen gibt es zwischenzeitlich unverblindete Systeme, die aber unbedingt eine vorherige Schulung erfordern, um erfolgreich angewendet werden zu können (z.B. Verlässlichkeit der ersten 24-Stundendaten, nicht das Denkmodell der Augenblicksblutzuckermessung anzuwenden, sondern die dynamische Betrachtung, nicht der Wert in entscheidend, sondern die Glukoseänderungsgeschwindikgkeit usw.). Eine dringende Indikation des unverblindeten Systems ist z.B. die Pseudonormalisierung. Hiervon spricht man, wenn die Glykogenspeicher derart defizitär sind, dass keine regelrechte postprandiale Antwort bezogen auf die BE/Bewegungs/Insulinkorrelation mehr zu erkennen ist. Verknüpft mit diesem Phänomen ist auch die fehlende Gegenregulation. Da die Musteranalyse hilft, zwischen den Zeilen zu lesen (zwischen den Augenblicksblutzuckermessungen) kann ein drohender Noteinsatz anhand der dokumentierten Augenblicksblutzuckermessungen Wochen vorher angezeigt und verhindert werden. Die Pseudonormalisierung ist ein starker Prädiktor für eine schwere Hypoglykämie.Beispiel: Es wird ohne erkennbaren Anlass deutlich weniger Insulin benötigt oder der Blutzucker steigt trotz der erfolgen BE-Aufnahme kaum an. Das Thema CGM ist komplex und umfangreich, ich habe daher versucht, zum Zwecke einer schnellen Information, wichtige Gedanken zu fixieren ohne damit jedoch der Komplexizität des Themas gerecht zu werden.Aufgrund des Tätigkeitsschwerpunktes finden bei uns alle gängigen Systeme ihre Anwendungen, die Erfahrungen wurden aber überwiegend durch die Medtronic-Systeme gewonnen.Die Investition des CGM ist sinnvoll, wenn sie zum Erkenntnisgewinn führt und ein monatelanges Analysieren vermeidet. Daher ist die herausragende ärztliche Aufgabe, anhand von Anamnese und klinischem Befund die korrekte CGM-Indikation zu treffen. Die Musteranalyse angewendet auf die dokumentierten Augenblicksblutzuckermessungen erleichtert die Anwendung der Statistikprogramme der Blutzuckermessgerätfirmen (z.B. 360 °), vorausgesetzt, die Messungen erfolgen zu reproduzierbaren Zeitpunkten. Die Statistikprogramme zeigen aber auch eine Gefahr, da Augenblicksblutzuckermessungen mit einer Gerade verbunden werden und somit das Lesen zwischen den Zeilen verhindern und auch auf eine falsche Spur führen können. CGMS - die Zukunft der Selbstkontrolle?
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